„ERNSTFALL“ – Texte der Teilnehmer

Bürgen schaft! - Premiere 2012. Foto: Robert Skrobich

Wie schon mehrfach erwähnt – unsere neue Theaterinszenierung lebt von dem Erlebten seiner Darsteller. Es gibt keinen fertigen Skript oder Drehbuch dafür jede Menge Nachdenklichkeit, persönliche Notizen , Fotos, Erinnerungen und Reflexionen.

Was uns bewegt, ein kleiner Auszug aus den persönlichen Notizen der DarstelerInnen:

„…Das Jahr 2020 war wahrscheinlich das ungewöhnlichsten das ich in meinen 16 Jahre erlebt habe…

…Ja natürlich hätte auch ich lieber meine Hobbys weiter betrieben und es ist unschön nicht zu wissen wann und wie alles wieder normal wird aber ich war nicht krank noch hab ich keinen geliebten Menschen an die Krankheit verloren. Ich weiß jetzt noch mehr zu schätzen wie viel Glück ich damit habe ein eigenes Zimmer zu haben und in einem Haus mit Garten zu leben. Ich weiß jetzt auch meine Familie viel mehr zu schätzen. Wir waren alle Zuhause und saßen praktisch 24/7 aufeinander und trotzdem hat es funktioniert.

…Corona hat mich auch um einiges selbstständiger werden lassen da ich alleine dafür sorgen musste mit dem Schulstoff hinterher zu kommen.

…jetzt bin ich manchmal gern alleine aber ich weiß es viel mehr zu schätzen wenn man dann doch mal Besuch hat.

…Abschließend kann ich sagen, dass ich wirklich froh bin in dieser Pandemie eine Regierung zu haben die sich um ihre Bürger kümmert. Auch wenn ich nicht jede Entscheidung nachvollziehen konnte und mich manches geärgert hat hatte ich das Gefühl nicht ganz alleine zu sein.

Ich jedenfalls bin froh nicht die Entscheidungen für über 80 Millionen Menschen treffen zu müssen.“
Carola 16 Jahre

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„…Das Ganze kommt mir vor wie ein schlechter Traum. Wieder Mal entlarvend und erschreckend wie unreflektiert und blind-gläubig wir Menschen sind. Eigentlich nichts Neues.

Doch sehr überwältigend, wenn die theoretische Erkenntnis in der Praxis erlebt wird. Deutschland erscheint mir als ein durchgeknallter Hühnerstall.
Die Geister der Hühner springen wild durch den Raum, knallen vor Aufregung und Bedrückung mit den Köpfen an die Decke und den Wänden, Orientierungslosigkeit, Durcheinander, Scheingelassenheit mit ersten Burn Out -Symptomen winken mir entgegen. Der Bewegungs-/ und Fluchttrieb fordert, während die Hühnerkörper in den engen Legebatterien eingesperrt sind, starr, per Digitalität eine Vernetzung vorgetäuscht wird. Isolierte Hühner, die nicht mehr im Stande sind sich zu solidarisieren, und keine demokratische Macht leben können. Und aus Versehen picken sie ihre eigene Eier an. Gibt es noch genug Kloorollen zu essen?

….Schreckliche Isolation? Sie scheint eher mein Schutz zu sein. Ich halte es mit den meisten Menschen kaum aus zusammen. Und sie scheinbar auch nicht mit mir, nicht unbedingt.

….Wir sind voll amused. Doch in meinem Spiegelbild sehe ich immer das Gesicht von Munch’s „Der Schrei“.

….Meine Eltern sind gestorben. Ich habe keine Geschwister. Keine Partner/innen, keine Kinder.

…Ich freue mich auf’s Casting- ist Mal eine nette Abwechslung in diesem grauen Land.

Was da wohl fließen wird?“

Sonnige Grüße aus Böhl-Iggelheim
Carmen Henschke

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„…während der Pandemie musste meine Freundin innerhalb von Stunden ihren Koffer packen und nahm den nächsten Flieger nach Amerika. Es gab kein offizielles „Auf Wiedersehen“ … Ich habe sie seit dem Tag nicht mehr gesehen….

Sie und ich haben früher jede Woche etwas gemacht und als das auf einen Schlag weg war, musste ich mich erstmal daran gewöhnen.

…Ich geh in Speyer zur Schule wohne aber in Neuhofen und deswegen ist es schwierig für mich sich auf einen kurzen Spaziergang in Speyer spontan zu treffen. So lernte ich letztes Jahr alleine zu sein. Für jemanden der normalerweise jedes Wochenende etwas zu tun hatte und immer beschäftigt ist, war das eine große Umstellung. Jedoch bin ich froh das mir ein Dolch in die schnell laufenden Zahnräder meines beschäftigten Lebens gekommen ist. Ich hätte sonst nie gelernt alleine und zufrieden zu sein.

Mia 17 Jahre

Written by ADREM
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